Sprecher:
Ulrich Matthes, Peter Simonischek, Wolfram Berger, Burghart Klaußner, Gert Voss

Zu hören sind die fünf autobiographischen Erzählungen von Thomas Bernhard, die von seiner Kindheit und Jugend in ärmlichen Verhältnissen bis zum Durchbruch als Schriftsteller berichten. Fünf Rundfunk- anstalten haben diese für das Verständnis von Bernhards Werken so bedeutenden Texte in einem großen Gemeinschaftsprojekt mit hervorragenden Sprechern produziert.

 

 




Diese Casettenedition enthält auch die drei CDs  "Der Atem" . Dieser Teil ist auch einzeln erhältlich.

 
 
gelesen von Wolfram Berger
 

Nicht einmal achtzehnjährig, wird Thomas Bernhard im Jahre 1949 jäh aus seinen musikalischen Studien gerissen. Eine niedergehaltene Grippe hat sich unbe­merkt zur Rippenfellentzündung entwickelt und zwingt ihn ins Salzburger Krankenhaus. Dem geschul­ten Blick des Personals ausgeliefert, wird er schnell zu den Sterbenden sortiert, erhält gar die Letzte Ölung. Doch im Angesicht des allgegenwärtigen Siechens und Sterbens weiß er plötzlich, dass er weiteratmen, dass erleben will.
Eine verstörende, berührende Lebensgeschichte


Von den bisher erschienenen Bänden der Jugend­erinnerungen Thomas Bernhards ist dies der bedeutendste: Memoiren als Kommentar zum Werk, Lebensgeschichte
Entwicklungsroman.«    rolf michaelis, die zeit

Der Atem erschien im Frühjahr 1978. War es in der Ursache das Internat, dann im Keller das Lebensmittelgeschäft, das Bernhard zum Zentrum seines topographischen Erzählens machte, so ist es im dritten Band der Autobio­graphie das Krankenhaus, das zum Ort einer bedrängenden Sozialgeschichtsschreibung wird. Denn so künstlerisch-theatralisch das Krankenhaus auch dargestellt wird, wenn die Patienten an den Schläuchen wie die Mario­netten eines anderen, schäbigen Salzburger Marionettentheaters erscheinen, oder wenn der Pfarrer mit seinem aufklappbaren Altar als Schauspieler einer barocken Schmieren­komödie auftritt, vor allem geht es hier um den sozialen und geschichtlichen Raum, in welchem das Ich sich sowohl der Krankheit wie der Institution des Krankenhauses ausge­liefert sieht.

Der noch nicht Achtzehnjährige war nicht zuletzt auch aufgrund der Entbehrungen in Krieg und Nachkriegszeit an einer lebensbe­drohenden Rippenfellentzündung erkrankt. Kurz nachdem sein Großvater ins Kranken­haus gehen musste, folgt ihm der Enkel dort­hin nach - es sei »nichts als nur folgerichtig gewesen«, heißt es wörtlich im ersten Satz von Der Atem. Der Großvater, der Schriftstel­ler Johannes Freumbichler, stirbt (11. Februar 1949), aber der Enkel überlebt und er ent­scheidet sich an diesem Ort des Sterbens für das Leben. Hier, in einer brutalen Anstalt der Nachkriegsmedizin, erhält der Widerstand des Ich seine eindringlichste Beglaubigung.

Vielleicht liegt in der Erfahrung der kranken Physis überhaupt der Grundantrieb von Bernhards Schreiben im Widerstand. Elfriede Jelinek, die, wie Bernhard, von der Musik herkommt, meint, aus seinen »Endlos-Tiraden« die Atemlosigkeit herauszuhören - als hätte »die Erfahrung des Zuwenig-Luft-Kriegens den wütenden Atem des Um-sein-Leben-Sprechenden erzeugt«.

Text: Hans Höller

 

 

I kenn mi 365 Tag im Jahr net aus - folglich wird mi der heutige aa net umbringen (Nestroy)

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